Adam und die 15 Unterschriften

Wann ist eine Prüfung fair bewertet? Ein wichtiges Kriterium hierfür wäre, dass mehrere - im Idealfall alle - Prüfer eine gezeigte Leistung mit einer identischen Note bewerten. Um dieses zu erreichen, ist es erforderlich, dass die Prüfer regelmäßig und gemeinsam geschult werden. In der JJU NW, unserem Landesverband, hat diese Aufgabe der Prüfungswart. Dieter Gobien, 6. Dan Jiu Jitsu, hat dieses Amt inne und damit die Aufgabe, das Prüfungswesen zu lehren. Einmal im Jahr lädt er alle Danträger (Jiu Jitsuka, die bereits einen schwarzen Gürtel haben) des Verbandes zur Schulung ein. Üblicherweise bekommen hier dann zwei Teilnehmer die Aufgabe, ein paar Techniken vorzuführen, über die dann gemeinsam gesprochen wird. Da die vorführenden Sportler bereits Meister sind, stellt sich auch nie die Frage, ob ein Prüfling, der diese Leistung abgegeben hätte, durchgefallen wäre. Zu den Fähigkeiten der Danträger kommt bei dieser Art der Schulung hinzu, dass die vorführenden Sportskameraden völlig entspannt sind. Es „geht ja eigentlich um nichts“. Sollte hier jemand mal daneben greifen oder eine Technik nicht ganz gelingen, zuckt der gespielte Schüler mit den Schultern und zeigt es einfach noch einmal. Eine Situation, die bei einer echten Prüfung undenkbar ist. Der „echte“ Prüfling ist nervös, kennt vielleicht die Prüfer gar nicht, hofft, dass er und sein Partner „ihren Text nicht vergessen“, kämpft mit Lampenfieber wegen der Zuschauer und so weiter.

Auch diese Einflüsse muss ein guter Prüfer erkennen und mit ruhigem, souveränem Auftreten dem Prüfling helfen, ohne eine korrekte Beurteilung der gezeigten Leistung aus den Augen zu verlieren. Es gibt schließlich weder einen Bonus für besonders gute Nerven, noch für Lampenfieber.

Die ideale Möglichkeit auf Schulungen diese Situation zur Schau stellen zu können, ist ein echter Prüfling, mit echter Prüfung und echtem Lampenfieber. Am 8. März konnte Dieter Gobien seinen Prüfern einen Kandidaten für eine echte Braungurtprüfung präsentieren. Adam Jacko, einer unserer Jugendtrainer, stellte sich dieser Aufgabe. Zusammen mit seinem Partner Benedikt Meinhardt, Trainer in unserer Erwachsenengruppe, trat er an.

Nein, Lampenfieber brauchte er wirklich nicht spielen - das hatte Adam. Schon Tage vor der Prüfung. Am Prüfertisch für eine „normale“ Braungurtprüfung sitzen zwei Meister - heute sah sich Adam 15 kritischen Augenpaaren gegenüber. Mit den Worten „Worauf habe ich mich da wieder eingelassen?“ kam er aus der Umkleidekabine ins Dojo. Dieter hatte im Vorfeld an diesem Tag noch einmal klargestellt, worauf es ankommt, was zu beachten ist und was der Prüfling auf jeden Fall zeigen muss, um heute mit dem braunen Gürtel nach Hause gehen zu dürfen.

Es ging los - Angrüßen, Falltechniken, Ausweichen, Schläge und so weiter. Grundtechniken - fertig.

Dann griff Benedikt Adam an und er musste sich verteidigen. Dabei galt es zum einen, die Auswahl der Abwehrtechniken der Härte und Gefährlichkeit des Angriffes anzupassen, zum anderen musste Adam das ganze Spektrum des Jiu Jitsu zeigen. Er wehrte sich mit Schlägen, Tritten, Hebeln, Würgegriffen und Würfen, ließ den Angreifer mal ins Leere laufen und nahm die Bewegungen dann auf, mal trat er Benedikt mit offensiven Block und Schlagtechniken gerade entgegen.

Die 15 Prüfer am Mattenrand verfolgten jeden Schritt und Griff ganz genau, machten sich Notizen, schrieben Noten. Da auch die Kondition von Prüfling und Partner in die Beurteilung miteinfließt, zeigten Adam und Benedikt gleich, dass sie gut vorbereitet waren und legten mit einem zügigen Tempo los, das sie bis zum Ende der Prüfung beibehielten. Dann kam für die beiden endlich die letzte Technik, im Anschluss das Abgrüßen - und das Warten, denn Dieter Gobien nahm „seine“ Prüfer mit in den Besprechungsraum. Denn schließlich galt es an diesem Tag, etwas über das Benoten zu lernen.

Aber am Ende hatten sich die Mühen und Aufregungen gelohnt - voller Stolz nahm Adam seine Urkunde aus den Händen des Landesprüfungswartes entgegen - sein Name und 15 Prüfer-Unterschriften waren darauf.

Wir gratulieren Adam Jacko zu seinem redlich erkämpften 1. Kyu Jiu Jitsu.

 Text: Benedikt Meinhardt