Bo-Jutsu mit Dennis Scheidt

 

Stock und Stein - die wohl ältesten Waffen der Menschheit - haben in ihrer Bedeutung als Mittel zur Verteidigung im Weitesten verloren. Der Stein wird hier nur noch unkontrolliert und meist aus dem Affekt genutzt. Der Stock findet seine Anwendung in veränderter Form bei Polizei und Sicherheitsdiensten. Meist als Schlagstock mit einer ungefähren Länge von 50 bis 60 cm.
Die asiatischen Kampfkünste haben den Stab aus Holz aber noch lange nicht vergessen. In verschiedensten Längen, mit jeweils einer eigenen Geschichte zur Nutzung, wird mit ihm trainiert.
Der Bo, ein Stock von ungefähr 1,80 Meter, diente in Japan einst als Wanderstab, oder um Lasten zu tragen. Zu zweit trug man ihn, die Last in der Mitte hängend; allein lag die Mitte auf der Schulter und die Last war auf die beiden Enden verteilt. So mit dem Umgang mit dem Bo vertraut, ist es nicht verwunderlich, dass der Mensch lernte, sich bei Überfällen auch wirksam mit dem Stecken zu verteidigen.
Das Bo-Jutsu, die Kunst des Kampfes mit dem langen Stock, ist heute Bestandteil des Kobudo, der alten Form der Kampfkünste Okinawas.
Eben diese Kunst beherrscht Dennis Scheidt, ein Freund des Nippon, der bereits ein Aikido-Seminar bei uns gab und als Prüfer sein Debüt feierte.
Am 13. Juli unterrichtete er uns Nippons im Bo-Jutsu. Hierfür bot es sich an, dass wir während der Sommerferien nicht in unser Halle trainierten, denn da jeder von uns mit einem Stock von knapp zwei Metern Länge arbeitete, benötigten wir sehr viel Platz.
Als erste Übungen - also zum Vertraut werden mit dem Bo - hatte sich Dennis eine Reihe von Dreh- und Wirbeltechniken überlegt. Sehr schnell wurde uns klar, dass das, was bei Dennis so lässig und elegant aussah, uns höchste Konzentration abverlangte.
Danach hatte Dennis eine Kata für uns. Eine Kata ist eine festgeschriebene Form von Angriffs- und Verteidigungstechniken, die entweder allein als Schattenboxen oder mit einem Partner geübt wird. Für uns gab es die zweite Variante. Ein Partner machte einen Angriff mit dem Bo, der andere wehrte ihn mit der Waffe ab. Dann wurden die Rollen gewechselt, weitere Techniken hinzugefügt und wieder gewechselt…
Die ungewohnte Waffe, die unbekannten Techniken, die feste Reihenfolge - uns verlangte dieser Exkurs in die „alte Form“ viel ab. Aber es machte dabei unglaublich viel Spaß und Dennis half jedem, der den Faden verloren hatte, schnell wieder auf Spur zu kommen. 90 Minuten, die vergingen, wie im Flug!
Heute war Dennis nicht nur als Gastreferent wieder bei uns, auch war dieser Event vorerst der letzte größere Auftritt des erfahrenen Budokas auf europäischen Boden. Denn in wenigen Wochen macht Dennis sich auf nach Mexiko. Der Liebe folgend hat er sich in dem mittelamerikanischen Staat eine Stelle gesucht und wird für die nächsten Jahre sicher keinen Lehrgang für die Nippons geben. So verabschiedeten wir uns mit einem großen Applaus und den besten Wünschen für seinen weiteren Lebensweg von ihm. Mit einem Augenzwinkern erklärte er, er hätte schon im Net einen Kobudo-Verein ganz in der Nähe seiner neuen Heimat gefunden. Deutschland oder Mexiko - ohne Kampfkünste kann er nun mal nicht…

(Text: Benedikt Meinhardt)